Leserbrief zu „Gentest entlarvt therapeutisches Schnellverfahren als Lügengebilde“ vom 19.10.2010
Als Therapeut, Coach und Ausbilder, der auch mit Familien- und anderen Aufstellungsformen arbeitet, bin ich Ihnen dankbar für den Artikel, denn so bleibt das Familienstellen auch in der kritischen Auseinandersetzung. Es wird von vielen Leuten als hilfreiche und entlastende Methode empfunden und ich möchte darlegen, worauf es ankommt – denn tatsächlich ist diese Methode nicht jedermanns Sache und auch nicht für alle Belange geeignet.
Die seriöse Arbeit mit systemischen Aufstellungen (darunter fällt auch das Familienstellen in der Einzelberatung und in der Gruppe) stellt breite Anforderungen an den Therapeuten: Nebst einer respektvollen und achtsamen Haltung, einer fundierten Ausbildung und der praktischen Erfahrung bedarf es auch eine an der Problemstellung (und nicht an der Methode) orientierten Grundhaltung und einer gereiften Persönlichkeit. Das Kennen und Respektieren der eigenen Grenzen und jener der gewählten Methode ist dabei genauso bedeutend wie in jeder anderen Therapieform auch. Professionell geführte Aufstellungen sind ruhig, subtil, achtsam und unspektakulär und finden in einem geschützten Rahmen statt.
Nicht jede Methode und jeder Therapeut oder Coach passt zu jedem Klienten und zu jeder Problemstellung. Das vom-hören-sagen, persönliche Empfehlungen und Google-Suchresultate alleine können einen bewussten Entscheid nicht ersetzen. Hier erlebe ich oft, dass Personen in Not nach dem erstbesten Strohhalm greifen. Dafür habe ich zwar Verständnis, dennoch entbindet es den Klienten nicht vor seiner Eigenverantwortung und einer auch kritischen Betrachtung: Was brauche ich als Klient? Wie sollte es sein, dass ich vertrauen und mich einlassen kann? Welchen Hintergrund soll der Therapeut oder Coach haben? Passt diese Person und diese Methode zu mir und zu meinem Anliegen? Fühle ich mich verstanden und gut aufgehoben?
Eine kritische, bewusste Auseinandersetzung mit jeglicher Form von Therapie ist also auch seitens des Klienten zwingend notwendig. Der respektvolle, am Menschen orientierte Umgang, die Grenzen anerkennende Arbeit mit systemischen Aufstellungen und das zur Verfügung stellen eines sicheren und professionellen Rahmens vor, während und nach einer Aufstellung ist die klare Verantwortung des Therapeuten.