Guten Tag
Ich bin Therapeutin in Massage und habe einen Fall in dem ich nicht weiterkomme.. Ich habe bereits mehrmals meine Familie aufgestellt und finde es ein sehr gutes Instrument. Ich möchte sehr gerne eine Frage beantwortet haben.
Die Ausgangslage: Es betrifft eine Patchworkfamilie, er trifft sich häufig bis zu 4 mal pro Monat mit seinen erwachsenen Kindern.( Sie findet dies extrem viel, die Kinder kommen aber nie von sich aus, in den Haushalt der neuen Beziehung,) sie hat auch Kinder, die Kinder von ihr sind teils auch schon Erwachsen. Er lebt bei ihr und ist mit den 3 Kindern dieser Frau zusammen in einem Haushalt. Sie leidet extrem, wenn er mit den Kindern unterwegs ist, sagt aber das es nicht Eifersucht ist, was hier abgeht. Ich bin mir da aber nicht so sicher. Könnte es sein, dass sie das Problem hat, weil die Kinder bei ihm einen anderen Stellenwert hat , als das die Kinder bei ihr haben? Sie erzählt mir, dass sie sehr gerne mit ihren Kindern etwas unternehmen möchte, aber einfach irgendwie nicht kann, da sie lieber mit ihm die Zeit verbringen würde. Stimmt hier die Reihenfolge nicht, stehen die Kinder, die alte Familie zwischen diesen neuen Partner? Könnte man das lösen von ihrer Seite aus oder sollte der Mann in ein Familienstellen gehen? Kommen die Kinder immer an erster Stelle und dann die neue PartnerIn? Ist diese Reihenfolge richtig? Bei ihr ist das glaube ich nicht so, bei ihr kommt zuerst der Partner und dann die Kinder. Das kommt zur Verwirrung auch bei den Kindern, nehme ich mal an. Sie wissen dann ja auch nicht mehr wo sie stehen sollen, oder? Im Moment ist sie bei mir in Behandlung. Möchte ihr gerne eine Empfehlung abgeben. Was soll ich ihr raten? Hat er noch gewisse Sachen zum lösen? Ich glaube ihm Moment will er noch in keine Therapie. Soll ich nun die Frau oder der Mann in eine Therapie schicken? Bei wem liegt das Problem?
Das wird mich in meiner Tätigkeit sicher auch wieder unterstützen.
Bedanke mich recht herzlich für die Beantwortung meiner Frage.
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Grüezi Frau …..
Danke für Ihr Interesse und Ihre Anfrage ans Familienstellen-Forum
Wir haben zum Thema Patchwork vor einiger Zeit einen generellen Artikel geschrieben, hier sende ich Ihnen den Link dazu http://2hintermann.ch/ic_menschen.html#patchwork
In diesem Sinne: Ja, die Kinder aus einer früheren Beziehung kommen als „Gesamtpaket“ mit dem Mann/der Frau in die Beziehung mit. So ist die gesunde Ordnung. „Ich anerkenne Dich ganz, mit allem, was dazugehört – auch mit Deinen Kindern“.
Patchwork – hier sogar eine „doppelte“ Version (beide haben Kinder), stellt eine besonders hohe Anforderung an die Kommunikation und Beziehungsgestaltung des Paare.
Was die Beziehung der beiden Partner angeht, gilt es diese untereinander zu hegen und zu pflegen. Es gilt, Freiräume, Sprech- und Zuhörräume, Intimräume zu schaffen, sonst wäre es ja keine Beziehung, sondern eine Wohn- und Zweckgemeinschaft. Und in einer Beziehung soll auch über Bedürfnisse gesprochen werden. Es ist in der Verantwortung des Einzelnen auszusprechen, was er/sie gerne möchte, was fehlt, etc., sich also verständlich zu machen.
Achtung: Du bist schuld, Du bist der/die Böse, Du tust nicht was ich brauche, Du siehst meine Bedürfnisse nicht, Du sollst… Du hast ein Problem, etc. führt früher oder später absolut ins Nichts, in den Konflikt, resp. Rückzug und Distanz oder letztlich in die Trennung. Jede(r) kann nur bei sich selbst schauen und über diesen Weg eine Lösung finden.So ist die Frage „bei wem liegt das Problem“ absolut nicht weiterführend. Meine Erfahrung ist: Es geht immer um beide, jeder hat seine eigenen Aspekte und interessanterweise passen die beiden „Rucksäcke“ oftmals gut zusammen und ergänzen sich gegenseitig. In der Beziehung gibt es nie eine klare Problem- und Schuldzuweisung – auch wenn wir uns das manchmal so wünschen….
Weiterbringend für Ihre Kundin wäre:
– was fehlt mir persönlich an der jetzigen Situtation
– weshalb ist es so, wie es jetzt ist?
– was ist mein Beitrag dazu, dass es jetzt so ist?
– wie wünsche ich mir, wie es wäre?
– weshalb gelingt es mir nicht, meine Bedürfnisse zu äussern (falls es so ist)?
– etc.
Eine Familienaufstellung kann Transparenz in die Konstellation bringen und Lösungen aufzeigen. Was jedoch genauso wichtig ist, ist die Fähigkeit und der Wille zur Paarkommunikation, die Dinge zu benennen und gemeinsam Lösungen zu suchen. Jemanden zur „Therapie zu schleppen“ ist furchtbar und nicht fruchtbar.
Noch etwas zu Ihrer eigenen Position:
Sie schreiben: „Soll ich … in die Therapie schicken“ – Sie sind doch nicht die Mama Ihrer Klientin! Passen Sie auf, dass Sie nicht in eine unangemessene Situation geraten. Es ist schön, wenn Sie ein nahes und persönliches Verhältnis zu Ihrer Klientin haben, das macht Sie bestimmt zu einer beliebten Massage-Therapeutin. Bleiben Sie dennoch unbedingt auf Ihrem „Posten“. Geben Sie vielleicht eine persönliche Empfehlung oder Erfahrung weiter, das reicht. Die Klientin soll ganz alleine entscheiden und Schritte tun, das ist ihre Selbstverantwortung. Und wenn sie keine Schritte tut, dann ist es ihre eigene Entscheidung und sie muss sich dann Ihnen gegenüber nicht rechtfertigen und/oder schlecht fühlen.
Sie kann mich/uns auch gerne anrufen oder einen Termin vereinbaren.
Ich wünsche Ihnen einen guten, entspannten Tag und viele nette Klienten/KIientinnen
Herzlich,
André Hintermann